Reiseangst?

Wie bereits im letzten Beitrag erwähnt, war meine Zeit bis zum Abflug nicht sonderlich spannend. Klar, ich hab mir ein paar Listen mit Dingen gemacht, die gekauft oder eingepackt werden müssen, aber ansonsten war alles normal. Ich selbst konnte mir auch noch nicht so ganz vorstellen, in wenigen Wochen tatsächlich in Australien zu sitzen. So einen richtigen Plan hatte ich auch nicht. Meine To-Do Liste beschränkte sich tatsächlich auf surfen, Krokodile sehen und die Ostküste entlangreisen. Der Rest würde sich schon irgendwie ergeben, weshalb es wohl auch nicht verwunderlich ist, dass ich meinen Flugroutenplaner für den Rückflug erst am letzten möglichen Tag an AIFS schickte. Auch die Panik oder Unruhe vor diesem großen einmaligen Abenteuer blieb aus. Na ja, fast…

Es gab da einen Nachmittag, an dem meine Mutter sich mit mir über Australien unterhielt. Ich selbst lag gemütlich in unserem Sessel und war vermutlich auf diversen Social Media Plattformen unterwegs, als die Fragen anfingen. Es waren ganz normale und auch berechtigte Fragen wie „Was machst du nach der Einführungswoche?“ oder „Hast du schon nach Jobs gesucht?“ Meine Antworten waren mit „Werde ich schon sehen“ und „Nein, das bringt nichts, solange ich noch in Deutschland bin.“ nur leider nicht zufriedenstellend. Daraufhin folgte dann eine halbe Stunde voller Heulkrämpfe, weil ich auf einmal mit allem überfordert war.

Ich fühlte mich, als hätte ich bereits alles bis ins Detail durchgeplant haben sollen, doch stattdessen hatte ich es nicht einmal zu einem Vorbereitungstreffen von AIFS geschafft, weil alle Termine sechs Stunden Zugfahrt von mir entfernt gewesen waren und es am Telefon hieß, dass es nicht unbedingt nötig sei. Dennoch schaffte ich es nach ein paar tröstlichen Worten und um zwei Australien-Reiseratgeber reicher, die ich nie wollte, mich wieder zu beruhigen und so blieb es dann auch bis zum Abflug.

Oh mein Gott! Es geht los!

Am Tag des Abflugs, einem Montag, war ich am Anfang noch ganz ruhig. Allison kam noch einmal persönlich vorbei, um sich von mir zu verabschieden. Das ging noch ganz gut. Mit Freunden und Familie kann man ja immer noch per (Video)Anruf kommunizieren. Außerdem hatte ich per WhatsApp bereits mit zwei anderen AIFS-Mitgliedern Sitzplätze im Flugzeug reserviert und wusste also, dass ich nicht ganz allein sein würde. Erst als ich mich von unserem Hund Hexe verabschieden musste, kamen die Angst und Traurigkeit in mir hoch. Immerhin verstand Hexe nicht, was los war. Sie würde einfach denken, dass ich grundlos verschwunden wäre, und streicheln können würde ich sie auch nicht.

Dieses Mal ließen sich die Tränen nicht so leicht besiegen. Auf unserer etwas einstündigen Autofahrt (ohne Hund) weinte ich bestimmt ein gutes Drittel davon. Am Flughafen war ich immer noch traurig, aber ich heule nicht gern in der Öffentlichkeit und konnte es so am Check-In unterdrücken. Mein Vater meinte bei jeder jungen Frau in meinem Alter, dass das ja eines von den AIFS-Mitgliedern sein könnte und ich doch schonmal Hallo sagen könnte. Ich wollte das nicht. Zwei Langstreckenflüge wären sicherlich genug um sich kennenzulernen. Jetzt gerade wollte ich einfach nur nicht daran denken, dass ich die vorerst letzten Minuten mit meinen Eltern verbrachte.

Vor der Sicherheitskontrolle hieß es dann wieder Abschied nehmen, auch wieder mit Tränen verbunden, aber dann ging es doch ganz schnell. Meine Eltern sahen nur noch wie ihr nicht allzu großes Kind mit seinem grünen Froschhut und einem schwarzen Rucksack in der Menschenmenge verschwand.

Für mich begann dann schon das erste Abenteuer: Auf dem Flughafen umherirren, denn ich war in meinem Leben nur einmal nach Spanien hin- und wieder zurückgeflogen. Da die anderen beiden Mädels geschrieben hatten, sie wollten noch einen Augenblick umherlaufen statt schon am Gate zu versauern, lief auch ich durch die Menge und schaute in ein paar teuren Läden vorbei. Irgendwann zwischendurch kaufte ich mir dann etwas zu essen und eine heiße Schokolade, bevor ich dann tatsächlich zum Gate wanderte.

Vor dem Gate sah ich ein Mädchen sitzen, das ich schon am Check-In gesehen hatte. Sie hatte neben einem blauen Nackenkissen auch ein mit Fotos bedrucktes Kissen dabei. Diese Person stellte sich später als Martha vor. Obwohl ich mir bereits dachte, dass sie wohl zu AIFS gehörte, sprach ich sie nicht an. Erst als ich von einem weiteren Mädchen angesprochen wurde, welches sich als Luisa von AIFS herausstellte, kamen wir drei ins Gespräch. Wie erwartet, verstanden wir uns auch alle ganz gut. Immerhin hatten wir alle den gleichen dummen Plan, nach dem Abi nach Australien zu verschwinden.

Über den Wolken

Bis wir tatsächlich im Flugzeug saßen, hatte ich schon einen ungefähren Überblick über meine neuen Weggefährtinnen. Außerdem hatten wir noch eine vierte AIFS-Teilnehmerin gefunden, die aber nicht neben uns im Flugzeug saß.

Da Australien nicht ganz um die Ecke liegt, mussten wir erst „nur“ sieben Stunden nach Dubai fliegen, was ich bereits anstrengend fand. Wir hatten nur wenig Beinfreiheit und auf dem Flug selbst unterhielten wir uns nach Start auch nicht wirklich. Stattdessen beschäftigten wir uns eher mit den Bordcomputern, auf dem man neben Filmen auch die aktuelle Position des Flugzeugs und sogar einen Kompass Richtung Mekkah sehen konnte. Auf meinem recht kurzen Spanienflug hatte ich so ein tolles „Spielzeug“ nicht gehabt.

Der Bordcomputer. Man sieht die Punkte "Dubai" und "Sydney", verbunden durch eine Linie, auf der ein Flugzeug langfliegt. Es hat den Großteil der Strecke schon geschafft. Über der Linie sind zwei Infokästen mit Informationen zum Flug, wie aktuelle Uhrzeit am Ziel oder der bereits gereisten Distanz
Der Bildschirm auf dem zweiten Flug

In Dubai waren wir nur etwa zwei Stunden, was mir aber auch reichte. Meine Beine taten mir jetzt schon weh und ich war mir nicht sicher, wie ich gleich auf dem 14-Stunden-Flug schlafen sollte, denn mittlerweile war es in Deutschland Nacht. Außerdem musste noch einmal eine Sprengstoffkontrolle oder so durchgeführt werden. Dabei durften Frauen auch nur von Frauen kontrolliert werden, weshalb sich das etwas in die Länge zog. Wir hatten nämlich mehr Passagierinnen als Passagiere. Unser Wasser durften wir aus, welchen Gründen auch immer, auch nicht mitnehmen, obwohl wir die Sicherheitszone gar nicht verlassen hatten.

Nachdem wir noch mehr Leute von AIFS gefunden hatten, die von Frankfurt aus geflogen waren, ging es in den zweiten Flieger. An den Flug erinnere ich mich nur so halb. Ich habe es tatsächlich geschafft ein wenig zu schlafen, wenn auch nicht sehr tief. Allerdings machte meinem Körper die Höhe etwas zu schaffen und so musste ich mich nach der ersten Mahlzeit im Flugzeug übergeben. Keine schöne Erfahrung, wenn man in der Mitte sitzt.

Ein Bild aus dem Flugzeugfenster. Man sieht den weißen Flugzeugflügel und darunter grünbraunes Land mit dunkelblauen Flecken. Ein paar Wolkenfetzen sind ebenfalls zu sehen
Die Aussicht auf dem Flug war schon cool

Hallo, Australien!

Bevor wir in Sydney landeten, musste jede*r Passagier*in eine gelbe Karten ausfüllen, auf der Kontaktinformationen, Einreisegrund und -dauer sowie bestimmte eingeführte Güter, unter anderem Medikamente, aufgezählt werden mussten, denn Australien ist doch ein bisschen strenger mit dem Zoll als die meisten anderen Länder. Ich weiß noch, dass ein kleiner Infofilm auf den Bildschirmen abgespielt wurde und ich erst mittendrin aus dem Halbschlaf erwachte. Glücklicherweise hatte ich mich vorher schon mit dieser Einreisekarte beschäftigt und wusste, was ich zu tun hatte. Bei meldungspflichtigen Gütern musste ich tatsächlich einmal „ja“ ankreuzen, denn ich hatte die Pille im Handgepäck. Zwar hieß es, sie sollte keine Probleme bereiten und ich hatte eine extra Erklärung von meiner Ärztin dabei, aber mir war gerade alles unheimlich. Schließlich war ich einfach am anderen Ende der Welt angekommen.

Ich wurde nicht verhaftet. Tatsächlich wurde ich nur gefragt, was ich denn für Medikamente dabei hätte und als ich erklärte, dass es sich lediglich um birth control handelte, wurde ich ohne weiteres durchgewunken. Auf mein Visum wurde ebenfalls nur ein kurzer Blick geworfen. Meinen großen Rucksack wiederzufinden war schon eher ein Problem und ich schließe nicht aus, dass er in seiner unauffälligen schwarzen Hülle ein- oder zweimal einfach an mir vorbeigefahren ist, aber schlussendlich hatte ich ihn dann wieder. Es sah bestimmt witzig aus, wie diese hobbitgroße Person mit einem großen Rucksack auf dem Rücken und einem nicht ganz so großen Rucksack vorne durch den Flughafen marschierte. Wäre mir jemand blöd gekommen, hätte ich ihn einfach umgehauen.

Das nächste Problem war der Weg zum Shuttle. Zwar hatten die anderen AIFS-Teilnehmer*innen und ich eine E-Mail mit einer Wegbeschreibung erhalten, aber trotzdem waren zwei der Mädels vom ersten Flug und ich ziemlich verloren und uns rannte die Zeit davon. In Sydney war es nämlich bereits wieder abends, während zuhause nur etwa 24 Stunden vergangen waren. Wenn wir dieses Shuttle verpasst hätten, hätten wir auf eigene Kosten einen Weg zum Hostel finden müssen und Sydney ist teuer. Wie an meiner Wortwahl zu erkennen, verpassten wir das Shuttle nicht, wenn auch nur knapp.

Auf der rund zwanzigminütigen Fahrt hörte ich den Gesprächen der anderen nur so halb zu und starrte lieber aus dem Fenster. Mit etwa fünf Millionen Einwohnern war Sydney die größte Stadt, in der ich bisher gewesen war. Mit Ausnahme des Linksverkehrs sah es auch eigentlich so aus wie zuhause, nur auf Englisch. Die Realisation endlich mein Abenteuer gestartet und in Australien angekommen zu sein, ließ auf sich warten. Vielleicht war ich einfach zu erschöpft vom Fliegen.

Im Hostel wurden nur noch die Zimmer verteilt und ich durfte freudig feststellen, dass ich nicht alleine in einem Zimmer war; Martha war ebenfalls bei mir im Zimmer. Zusammen sind wir mit unserem ganzen Gepäck in die zweite Etage gefahren und haben unser Zimmer gesucht. Dort war es bereits dunkel und acht andere Frauen schliefen dort bereits. Ich checkte erst gar nicht, dass schon andere Menschen im Zimmer waren, denn ich dachte AIFS würde alle Leute, die am Abend ankamen, auch in gemeinsame Zimmer stecken, damit man eben nicht alle anderen Bewohner beim Schlafen störte. Natürlich lag das letzte freie Bett (Martha hatte sich das andere bereits geschnappt) dann auch noch ganz hinten im Zimmer und ich musste im Dunkeln die Leiter hochkraxeln, denn es war ein Hochbett. Dabei blendete ich versehentlich die Frau im unteren Bett neben meinem. Sie fing an mir irgendetwas zu erzählen und hielt mir ganz aufgeregt ihr Brillenetui hin. Erst nach ein paar Sekunden bemerkte ich, dass sie nur im Schlaf sprach und nichts von mir wollte.

Nachdem ich mich im Gemeinschaftsbad der Etage schnell umgezogen und meine Zähne geputzt hatte, lag ich dann endlich im Bett und war bereits jetzt von meinen Zimmergenossinnen genervt. Das konnte ja noch heiter werden…

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